Visuelle Standards: auch bei operativen Fragestellungen.

Artur König, BI or DIE · 08. Mai 2024
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In operativen Prozessen wie der Produktion sind Reporting-Standards weniger verbreitet, was aber nicht bedeutet, dass sie dort weniger gut funktionieren. Dieser Beitrag zeigt anhand des Einsatzes von Visual Business Analytics (VBA) im Bereich der OEE-Analysen, wie einfach und nachvollziehbar die Anwendung von Standards in der Produktion erfolgen kann. Schichtenkonzept, Struktur, Einheitlichkeit und der Fokus auf Abweichungen funktionieren auch in diesem Bereich sehr gut, so dass Standards auch in dynamischen und komplexen Umgebungen einen erheblichen Mehrwert bieten können.

Brauchen wir visuelle Standards?

Eine Google-Suche nach dem Begriff „Dashboard“ führt zu vielen bunten Grafiken, die eins nicht haben: eine einheitliche Logik und Gestaltung. Im Gegensatz zu anderen Bereichen, wie z. B. Kartographie oder Musik, hat sich bei der grafischen Darstellung von Kennzahlen kein einheitlicher Standard durchgesetzt.

Standards in diesem Bereich sind aber durchaus vorhanden, und am bekanntesten dürften die International Business Communication Standards (IBCS) sein. Am meisten verbreitet ist dieser Standard im Finanzbereich, im Controlling oder bei einer übergreifenden Darstellung von Kennzahlen, was auch die Beispiele auf der Webseite von IBCS widerspiegeln.

Ein weiterer Standard bzw. Good Practice basiert auf dem Buch Visual Business Analytics [Kohlhammer, Proff, Wiener] aus dem Jahr 2018. Das Buch erweitert diese Ideen durch Anpassung an moderne, interaktive BI-Werkzeuge und zeigt, dass die Entwicklung von Standards auch die technologischen Fortschritte berücksichtigen muss.

Visuelle Standards bieten einige offensichtliche Vorteile:

  • Vergleichbarkeit: Einheitliche Gestaltung erleichtert das schnelle Erfassen und Vergleichen von Informationen über verschiedene Berichte und Dashboards hinweg.
  • Verständlichkeit: Standardisierte Visualisierungen können dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden, da sie eine konsistente Interpretation der dargestellten Daten ermöglichen.
  • Effizienz: Standards reduzieren die Zeit und den Aufwand, die für das Design von individuellen Lösungen benötigt werden, und bieten gleichzeitig eine professionelle Qualität der Darstellung.

Warum sind Standards nicht überall?

Dennoch kann nicht von einer flächendeckenden Durchsetzung von Standards gesprochen werden. Sogar innerhalb von Organisationen ist es nicht selbstverständlich, über verschiedene Prozesse und Bereiche hinweg einheitlichen Standards zu folgen.

Einige Gründe dafür sind erfahrungsgemäß:

  • Vielfalt an Werkzeugen und Anwendungen: Viele Organisationen nutzen verschiedene Tools, die keine einheitlichen Darstellungen haben.
  • Organisationsspezifische Bedürfnisse: Unterschiedliche Prozesse und Anforderungen in verschiedenen Bereichen einer Organisation können die Anwendung einheitlicher Standards erschweren. Zumindest ist die Argumentation oft so.
  • Individuelle Vorlieben: Einige Designer und Analysten könnten argumentieren, dass strikte Standards die kreative und innovative Nutzung von Visualisierungen einschränken können. Dies ist umso mehr der Fall, je weniger harte Vorgaben es in einem Bereich gibt. Deshalb ist beispielsweise das Controlling in der Regel weniger anfällig für diese Art Kreativität ist als das Marketing.

Wenn die zahlreichen Möglichkeiten moderner BI-Werkzeuge mit dem Fehlen von Standards zusammenkommen, entfaltet sich die Kreativität der einzelnen Anwender gerne sehr frei und Informationssicht wird so verstanden, dass sich viele gedrängte Liniendiagramme und gestapelte Säulen in Darstellungen verschiedener Größen und Skalierungen wiederfinden.

Herausforderungen beim Reporting in der Produktion

Vergleichsweise selten sind Reporting-Standards in operativen Prozessen wie der Produktion anzutreffen. Teilweise hält sich hartnackig die Meinung, dass Standards in operativen Prozessen gar nicht umsetzbar sind, sondern eben nur etwas für Finanzen, Controlling und Statistiken sind.

Dabei spielt das Reporting in der Produktion eine durchaus wichtige Rolle. Es ist aber von Natur aus zweigeteilt: Einerseits gibt es das operative Reporting, das oft sehr nah an den Maschinen selbst stattfindet und andererseits ein übergreifendes Reporting, wo Daten aggregiert werden. Das operative Reporting verlässt sich wegen der erforderlichen Zeitnähe und der lange nicht einfach umzusetzenden Integration von spezifischen Reporting-Werkzeugen oft auf integrierte Auswertungen der operativen Systeme.

Diese können pro Maschine unterschiedlich aussehen und werden nicht mit der Perspektive einer möglichen Konsolidierung und Integration in ein übergreifendes Reporting konzipiert. Inzwischen halten moderne BI-Werkzeuge wie Microsoft Power BI immer mehr Einzug in das operative Reporting und ermöglichen auch dort vom „Silodenken“ im Bereich der Daten wegzukommen. Dadurch wird auch die Umsetzung von Standards möglich, was im Folgenden nach einer kurzen fachlichen Einführung in das Thema am Beispiel der OEE-Kennzahl gezeigt wird.

OEE-Kennzahl und dessen Nutzung

Die OEE-Kennzahl (Overall Equipment Effectiveness oder Gesamtanlageneffektivität auf Deutsch) ist ein Indikator in der Produktionstechnik, der die Gesamtleistung von Fertigungsanlagen bewertet.

Sie setzt sich aus drei Hauptkomponenten zusammen:

  • Verfügbarkeit: Diese Komponente misst die Ist-Laufzeit einer Maschine im Vergleich zur geplanten Laufzeit. Eine hohe Verfügbarkeit bedeutet, dass die Anlage während der geplanten Betriebszeiten weitgehend störungsfrei läuft, was auf eine effiziente Wartung und schnelle Behebung von Ausfällen hinweist.
  • Leistungsgrad: Der Leistungsgrad vergleicht die tatsächlich produzierte Menge mit der unter idealen Bedingungen erreichbaren Menge (Plan-Menge). Er zeigt, wie gut die Anlage während der Betriebszeit genutzt wird. Ein niedriger Leistungsgrad kann auf Probleme wie Maschinenausfälle, suboptimale Einstellungen oder langsamere Arbeitsgeschwindigkeiten hinweisen.
  • Qualitätsrate: Diese Rate wird berechnet, indem die Summe aus Ausschuss und Nacharbeit von der Gesamtproduktion abgezogen und das Ergebnis ins Verhältnis zur Gesamtproduktion gesetzt wird. Eine hohe Qualitätsrate nahe 100 % deutet darauf hin, dass die meisten Produkte die Qualitätsanforderungen erfüllen und nur wenig Nachbearbeitung benötigen.

Als Produkt dieser drei Kennzahlen bietet die OEE-Kennzahl eine umfassende Sicht auf die Effizienz von Anlagen und Produktionsprozessen. Sie hilft dabei, Bereiche mit Verbesserungspotenzial zu identifizieren und Probleme einzugrenzen, z. B. die Häufung von Ausfällen oder Qualitätsproblemen an einzelnen Maschinen.

Nutzung der OEE in geführten Dashboards

Da die OEE als aggregierte Kennzahl sehr gut für Vergleiche geeignet ist, bietet sie sich als ein perfekter als Startpunkt in einem Monitoring Dashboard an, um Anlagen zu identifizieren, die „auffällig“ sind und diese dann im Detail genauer zu betrachten.

Sie eignet sich somit gut für die Landingpage, um eine schnelle Navigation von einem übergreifenden Level zu ermöglichen – ganz ohne langwierige manuelle Suche und Filter. Die Aufteilung in Kacheln ist hier ideal, da die OEE pro Anlage eine deutlich bessere Aussagekraft hat und das Saldieren über verschiedenen Anlagen zumindest kritisch betrachtet werden sollte, da diese verschiedene Soll-Vorgaben haben können und somit nicht zwangsweise vergleichbar sind.

Monitoring Dashboard by BI or DIE

Auf dem Detail-Level findet anschließend die eigentliche Suche nach den Ursachen statt – und dabei wäre die OEE weniger hilfreich als deren drei Bestandsteile Verfügbarkeit, Leistungsrad und Qualitätsrate. Auffälligkeiten dieser einzelnen Kennzahlen weisen schnell darauf hin, in welchem Bereich ein Problem existiert und ermöglichen eine schnelle Reaktion.

Zudem sind alle drei Kennzahlen Prozentwerte und besitzen gemäß Ihrer Definition einen Referenzwert, mit dem sie verglichen werden. Darum sind Abweichungen, die im Visual Business Analytics Modell eine zentrale Rolle spielen, offensichtlich und intuitiv darstellbar.

Abweichungschart by BI or DIE

Dieses Vorgehen passt gut in das Konzept des Visual Business Analytics, wo die klare Visualisierung von Abweichungen und Trends entscheidend ist, um schnelle und fundierte Entscheidungen zu ermöglichen. Die Integration der OEE in ein Dashboard schafft somit nicht nur einen Überblick, sondern dient auch als effizientes Werkzeug für tiefere Analysen und das proaktive Management von Produktionsanlagen.

Nutzung der OEE in analytischen Dashboards

Die OEE und ihre Bestandteile eignen sich zudem gut, um Abhängigkeiten zu untersuchen, z. B. ob die ambitionierten Plan-Vorgaben im Bereich Laufzeit und Produktionsmenge zu mehr Ausschuss und damit schlechterer Qualität führen. An dieser Stelle sind die analytischen Dashboards des Visual Business Analytics (VBA) sehr nützlich und sinnvoll einsetzbar.

Einsetzbar sind hier das Struktur- oder das Portfolio-Dashboard, um verschiedene Kennzahlen gegenüberzustellen und Zusammenhänge zu erkennen. Eine sinnvolle Visualisierung ist hier der Scatterplot:

Scatterplot by BI or DIE

Die einzelnen Kreise können dabei wahlweise für Anlagen, Anlagentypen sowie einzelne Tage oder Schichten stehen – je nachdem, auf welcher Ebene auffällige Zusammenhänge nachvollzogen werden sollen.

Artur König und Michael Tenner sind Power BI Experten bei BI or DIE und wenn sie sich nicht gerade an neuen Dashboards, Datenmodellen und kreativen technischen Lösungen basteln, teilen sie ihr Wissen gerne online.

Demnächst sind beide auch live im Power BI or DIE Live-Stream zu sehen, wobei das Thema des Blogs besonders in der Session von Michael aufgegriffen wird: Blog: BI or DIE

LinkedIn: Artur König · Michael Tenner

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